InHerford | März 2020 EIGENTUM
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Sonderfall: „Werdender Eigentümer“
Obwohl Teilnahme und Stimmrecht in der Wohnungseigentümerversammlung
grundsätzlich erst mit dem dinglichen Eigentumserwerb
(Eintragung in Abteilung I des Grundbuchs)
begründet werden, kann der sogenannte „werdende Eigentümer“
unter bestimmten Voraussetzungen schon vor der Grundbuchumschreibung
in der Wohnungseigentümerversammlung
mitbestimmen. Dies gilt für Ersterwerber einer werdenden Eigentümergemeinschaft,
wenn für sie eine Auflassungsvormerkung
eingetragen ist und sie die Wohnung in Besitz genommen
haben (BGH, Beschluss vom 05.06.2008, V ZB 85/07).
Grundsatz: Vertretung durch jedermann möglich
Die Teilnahme an der WEG-Versammlung und die Ausübung
des Stimmrechts sind keine höchstpersönliche Angelegenheit.
Teilnahmeberechtigte können sich deshalb grundsätzlich durch
jedermann in der Versammlung vertreten lassen.
Natürlich darf derjenige, der sich in der Versammlung vertreten
lässt, dann aber nicht selbst an der Versammlung teilnehmen.
Vertretungsbeschränkungen zulässig
In der Praxis schränken allerdings häufig Vertretungsklauseln
in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung der jeweiligen
Wohnungseigentümergemeinschaft den Kreis der zur Vertretung
berechtigten Personen erheblich ein, um so fremde Einflüsse
aus der Gemeinschaft fernzuhalten. Am häufigsten anzutreffen
ist die Beschränkung auf die Vertretung durch den Ehepartner,
den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer derselben
Gemeinschaft. Solche, in der Teilungserklärung enthaltenen
Regelungen sind grundsätzlich wirksam (BGH, 11.11.1986,
V ZB 1/86). In diesen Fällen ist ein Bevollmächtigter, der nicht zu
dem genannten Personenkreis gehört, weder teilnahme- noch
stimmberechtigt (BGH, 29.01.1993, V ZB 24/92). In einem solchen
Fall ist die Vertretung grundsätzlich auch nicht durch den
Steuerberater oder Rechtsanwalt des Wohnungseigentümers
zulässig (AG Charlottenburg, 24.6.2016, 73 C 17/16).
Ob eine Person, die mit dem Eigentümer in nicht ehelicher
Lebensgemeinschaft verbunden ist, im Fall einer Vertretungsbeschränkung
dem Ehegatten gleichgestellt wird, ist rechtlich
noch nicht abschließend geklärt. Das Oberlandesgericht Köln
hat eine Gleichbehandlung dann befürwortet, wenn die Lebensgemeinschaft
unstreitig und evident auf Dauer angelegt ist und
die Verfestigung der Gemeinschaft durch gemeinsame Kinder
zu einem eheähnlichen oder ehegleichen Verhältnis nach außen
dokumentiert wird (OLG Köln, 08.12.2003, 16 Wx 200/03). Hier
kommt es auf den Einzelfall an.
Vertretungsbeschränkungen, die sich ersichtlich auf natürliche
Personen beziehen, werden für juristische Personen ergänzend
so ausgelegt, dass diese sich nicht nur durch ihre organschaftlichen
Vertreter, sondern auch durch rechtsgeschäftliche Vertreter,
wie z. B. den für die Liegenschaftsverwaltung zuständigen
Mitarbeiter oder eine insoweit zuständige Konzerntochter und
deren Mitarbeiter, vertreten lassen können (BGH, 28.6.2019, V
ZR 250/18).
Unwirksame Beschränkungen
Klauseln, die die Vertretungsmöglichkeiten einschränken, sind
unwirksam, wenn sie zu einer unzumutbaren Benachteiligung
führen oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.
Dies wird allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen von
den Gerichten angenommen, so z. B. die durch Teilungserklärung
zugelassenen Vertreter allesamt wegen Interessenkollision
für den Vertretenen unzumutbar sind (OLG Karlsruhe OLGZ
1976,273).
Vollmacht erforderlich
Auf Verlangen des Verwalters oder eines jeden Versammlungsteilnehmers
muss der Vertreter eines Eigentümers eine
Originalvollmacht vorlegen, es sei denn, die Teilungserklärung
sieht für bestimmte Vertreterpersonen vor, dass diese sich nicht
entsprechend ausweisen müssen.
Stimmrechtsweisungen möglich
Der insoweit vertretene Wohnungseigentümer kann seinem Vertreter
Vorgaben machen, wie er zu einzelnen Tagesordnungspunkten
abstimmen soll. Hält sich der Vertreter daran allerdings
nicht, muss der Wohnungseigentümer die Erklärung seines Vertreters
gegen sich gelten lassen und kann ihn nur auf Regress
in Anspruch nehmen.
Die Vertretung birgt also auch Risiken. Ihren Vertreter sollten Sie
daher mit Bedacht auswählen.
Berater und Gäste nur ausnahmsweise erlaubt
Wegen der Nichtöffentlichkeit der Versammlung sind Begleit-
und Beratungspersonen grundsätzlich nicht zur Teilnahme an
der Versammlung zugelassen Dies gilt auch für Ehepartner und
nicht eheliche Lebensgefährten der Wohnungseigentümer.
Ausnahmen von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung
nur dann, wenn im Einzelfall bei Abwägung der gegensätzlichen
Belange das berechtigte Interesse an der Hinzuziehung einer
Begleitperson oder eines Beraters gewichtiger ist als das Interesse
der übrigen Eigentümer, die Versammlung auf den Kreis
der Wohnungseigentümer zu beschränken (BGH, 29.01.1993,
V ZB 24/92).
Dies kann der Fall sein, wenn ein Eigentümer aufgrund seines
hohen Alters oder geistiger Gebrechlichkeit oder aufgrund der
rechtlichen Schwierigkeit der anstehenden Beratungspunkte
Beratungsbedarf hat.
Die bloße Zerstrittenheit der Eigentümer untereinander reicht
hierfür aber ebenso wenig aus, wie die Tatsache, dass in der
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